Der Tag endete gestern leider mit einem Magen-Darm-Infekt bei Gritti, so dass es ihr heute Morgen immer noch nicht gut ging und das Bett hüten musste. Also habe ich mich entschlossen allein durch die Berge zu ziehen, ohne einen 3-Tausender wollte ich hier nicht abfahren. Dafür habe ich mir die Tour auf die Hintere Schöntaufspitze (3.325 m) ausgesucht. Das Wetter sollte heute wieder gut werden, nur zum Nachmittag waren Gewitter angesagt. Somit hieß es das Zeitfenster zu nutzen. Für den Aufstieg waren 2,5 Stunden laut Wanderführer notwendig. Gestartet bin ich mit der großen Kabinen-Seilbahn am hintersten Ende des Suldentals, die mich auf 2.600 m bringen sollte. Dort angekommen (13°C), habe ich erstmal einen ausgiebigen Ausblick auf die Gletscherwelt der Königsspitze genossen. Immer wieder beeindruckend und respekteinflössend.
Nachdem ich meine Wanderstöcke auf die richtige Länge eingestellt habe, ging es mit vielen anderen Ausflüglern und Wanderern in Richtung Madritschhütte (2.880 m) und weiter zum Madritschjoch (3.123 m). Die Madritschhütte ist eine sehr große Anlage und auf den Skizirkus im Winter eingestellt. Mit großer Bar und Musikbühne ist im Winter bestimmt viel Hüttengaudi. An der Hütte habe ich mich nicht lange aufgehalten, es ging gleich weiter zum Madritschjoch. Dort angekommen hatten man einen schönen Blick in das Nachbartal und auf die Bergwelt des Ortlers, des Monte Zebru und der Königsspitze. Alle diese Gipfel waren mit Eis oder Schnee bedeckt.
Nachdem das Beweisfoto gemacht wurde ging es für mich mit einigen wenigen Wanderern hinauf auf den Gipfel der Hinteren Schöntaufspitze. Durch meinen schnellen Aufstieg zum Joch war ich doch ein wenig außer Puste, so dass der Anstieg zum Gipfel langsamer gemacht werden musste. Leider waren die Wege hier nicht gekennzeichnet und manchmal nur schwer zu finden. Einige Male musste ich 4, 5 Meter zurückgehen, um zu erkennen, wo es denn eigentlich langgeht. Der Wind pfiff hier oben mächtig, so dass ich meine Jacke wieder anziehen musste. Nach knapp 30 Minuten war der Aufstieg geschafft und es hat sich wieder gelohnt. Ein herrliches 360°-Panorama auf die Berge ringsherum.
Auch diesmal wurde wieder das Beweisfoto gemacht. Leider gab es hier oben kein Gipfelkreuz, nur eine Wetterstation. Mit Gipfelkreuzen ist man in Südtirol generell sehr sparsam. Eigentlich wollte ich meine Drohne fliegen lassen, aber der Wind war schneidend – meine Drohne hätte das nicht überlebt. Und zusätzlich hatte ich den Gipfelschnaps vergessen, das musste ich dann abends nachholen.
Nun habe ich mir den weiteren Weg, den ich gehen wollte angeschaut, denn ich wollte den Ortler-Höhenweg durch das Rosim-Tal nach Sulden gehen. Die meisten gehen zurück zur Seilbahnstation, ich wollte nicht den gleichen Weg gehen. Bis Sulden waren knapp 3 Stunden veranschlagt und da das Wetter hielt, dachte ich, sei dies eine gute Idee.
Zuerst musste ich aber den Weg vom Gipfel wieder zum Madritschjoch zurückgehen. Und das war gar nicht so einfach, ich habe eine Weile gebraucht, um den Einstieg zu finden. Nun weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn man die Orientierung in den Bergen verliert. Irgendwann habe ich den Weg nach unten wieder gefunden. Am Joch angekommen ging der Abzweig zum Ortler-Höhenweg etwas unterhalb weiter. Ich war allein auf diesem Weg, was dann schon verdächtig ist. Nach 30 Minuten bin ich dann am Schöntaufjoch in 3.174 m angekommen. Von hier sollte es nach Sulden abwärts gehen.
Kurz vor dem Joch war eine Sperre, bestehend aus 3 roten Stöckern, aufgebaut. Keine Ahnung was das bedeuten sollte, ich ahnte schon was, weil am Madritschjoch das Schild für diesen Weg abgebaut war. Es hätte aber auch abgerissen gewesen sein. Der Blick hinunter hat auch gezeigt warum: durch einen Felssturz war ein Teil des Weges abgerutscht. Ich konnte den Verlauf des Weges hinter der Abrutschung erkennen, aber wie dort hinkommen? Hmm, unterhalb von mir waren 2 Italiener wahrscheinlich schon damit beschäftigt einen „Ersatzweg“ zu finden. Also bin ich erstmal hinterher, habe das aber nach ca. 50 Höhenmetern aufgegeben, der vermeintliche Weg wurde immer schlechter, rutschiger und steiler. Ich konnte zunehmend beobachten wie die beiden Italiener Mühe hatten sich am Hang zu halten. Nee, das wars dann für mich und bin umgekehrt. Also wieder bis zum Joch hoch und erstmal überlegen wie weiter. Ich habe es dann auf der anderen Seite der Abrutschung versucht, indem ich diese am oberen Teil umgangen bin. Aber auch hier ging es nicht weiter. Nun stand für mich fest: man soll das Schicksal nicht herausfordern. Also hieß es, den ganzen Weg wieder zurück und doch mit der Seilbahn nach unten.
Das hatte aber auch sein gutes, denn auf dem Rückweg vom Joch war ich immer noch allein und hatte das Glück einem ausgewachsen Steinbock gegenüberzustehen. Keine 20 Meter von mir stand er auf dem Felsen. Wir haben uns gegenseitig beobachtet, ich habe die Kamera laufen lassen. Als ich etwas näher kommen wollte, hat er einen lauten Pfiff abgegeben. Ich verstand das als Drohung! Die Hörner waren auch nicht ohne.
Nach diesem Highlight ging es weiter zurück zur Seilbahn. Ok, wenn ich mich beeile, könnte ich ja von der Bergstation der Seilbahn den Gletscherweg zur Hintergrathütte nehmen. Von der Seilbahnstation wären das nochmal 2,5 Stunden gewesen. Leider bauten sich auf dem Weg zur Seilbahnstation immer mehr Wolken auf, die ich argwöhnisch beobachtete. Es war viel Energie in der Atmosphäre, als Flieger hat man dafür einen Blick. Auf dem Rückweg hat mich dann ein Mann angesprochen, der meine Versuche den Weg am Schöntaufjoch zu finden, beobachtet hat. Und zwar vom Gipfel, auf dem ich kurz vorher war. Er hat auch die beiden Italiener gesehen, die ca. 20 Meter abgerutscht sind. Was mit ihnen passiert ist, konnte er nicht sagen. Puh, dachte ich mir, dann war meine Entscheidung richtig gewesen. Und ich hätte außerdem den Steinbock verpasst! Kurz vor der Bergstation kam ich noch an einer Herde Yaks vorbei, die Reinhold Messner gehören. Man fühlt sich beim Anblick der Tiere vor dieser Kulisse in den Himalaya versetzt.
Nach kurzem Überlegen habe ich mein Vorhaben, den Gletscherweg zu gehen, aufgegeben und mir bei der Bergstation als Ersatz ein Radler bestellt. Es war auch gut so, denn keine 20 Minuten später bauten sich die Wolken so heftig auf, dass es bald anfing zu regnen und 10 Minuten später die ersten Blitze zu sehen waren. Also schnell vom Berg runter, die Seilbahn hat uns gut ins Tal gebracht. Auf der Abfahrt habe ich viele Wanderer beobachten können, wie sie im Regen, der als Sturzbach runter kam, unterwegs waren. Die meisten werden durchgeweicht ihre Wanderung beenden.
Unten angekommen habe ich dann auf den Bus gewartet, der mich 2 Stationen in den Ort mitgenommen hat. Laufen war keine Option, denn das Gewitter hing im Tal fest und es schepperte mächtig. Alle 10 Sekunden blitzte es und der gewaltige Donner ließ mich zusammen-zucken.
An der Busstation angekommen, musste ich noch 10 Minuten bis zum Hotel aufsteigen. Und das im strömenden Regen. Was soll’s, das schaffen wir nun auch noch. Insgesamt war es ein anstrengender, aber ereignisreicher Tag. Und ein Tag mit richtigen Entscheidungen!
Gritti ging es auch schon etwas besser, das Fieber war wohl runter und sie hatte auch schon wieder Appetit. Ein gutes Zeichen!